Galerie im Rathaus Bad Cannstatt

Galerie Kunsthöfle e.V.

HEIKE RENZ

„Vom Klang der  Gräser“

Eröffnung am 04.05.2023

Einführung Prof. Dr. Helge Bathelt

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Die Kunstgeschichte kennt das sehr wohl, dass sich Künstler einem Thema verschreiben und ihr ganzes Lebenswerk darauf ausrichten. So gab es im Goldenen Zeitalter der Niederlande Spezialisten für Portraits, für Landschaft, für Stillleben, für Tiere etc. etc. Natürlich kennen wir auch heute noch Künstler, die sich einem Bestimmten verschrieben haben. Günther Uecker z.B. ist bekannt für seine Nagelbilder, Baselitz für den Kopfstand seiner Figuren und Horst Antes für seine Kopffüßler. Wo auch immer man auf veröffentlichte Kunst stößt, wird man solche Spezialisten des Einen sofort wahr nehmen mit einem inneren „Oha“, denn schließlich handelt es sich um bedeutende Kunst. Bekanntheitsgrad und Identifizierbarkeit gehen eng zusammen und wenn Sie, verehrte Besuchert*Innen künftig auf Gräser in einer Werkschau stoßen sollten, so wird ihr Erstgedanke sein, ob diese auch von Heike Renz stammen.

Nun ist zu erwähnen, dass die Künstlerin uns hier zwar Gräser mitgebracht hat, dass sich ihr Oeuvre damit aber keineswegs erschöpft. Wenn wir ihren Katalog durchblättern, so zeigt sie ein breites Spektrum an Bildgegenständen. Ob nun die Bilder dieser Ausstellung einen aktuellen Werkausschnitt abbilden, der vielleicht das Schaffen der nächsten fünfzig Jahre einläutet, können wir getrost anheim stellen.

Nun, bei Betrachtung der Exponate erleben wir Gräser in unterschiedlichen Darstellungen. So können sich z.B. Blüten gegen ein Grasdickicht durchsetzen oder es können ganz unterschiedliche Hintergründe eine stimmungsschaffende Funktion übernehmen. So wirkt eine Novemberstimmung hinter leblos gewordenem Grasresten wie ein melancholisches Herbstgedicht und auch ein jahreszeitlicher Horizont mit schweren Wolken gespiegelt in einer blaugrauen Landschaft erfährt seine Bestimmung in orangenen Tönen eines Sonnenuntergangs. Momente eines Verwelken, einer jahreszeitlichen Veränderung: das ist es, was einige Arbeiten der Künstlerin uns mitteilen.

Natürlich hat das auch seine eigene Musikalität, die von Form und Farbe getragen wird und wenn wir das Spiel von Überschneidungen und Verdichtungen, Freistellungen und Überlagerungen betrachten, dann beginnen wir in der Tat den Klang der Gräser zu fühlen oder gar schon zu hören.

In einigen feinen Aquarellen, bei denen ein Einzelnes der Natur auf schwachen Stilen zarte Blüten trägt, stellen die Arbeiten in ihrer Verknappung und selbstverständlichen Anmut eine Fortsetzung des Weges statt, den niemand besser gegangen ist als Oskar Koller. 

Während Renz hier in intimeren Formaten unterwegs ist: beeindruckt sie mit Großformaten, von denen zwei hier zu Recht die Stirnwand beanspruchen. Inszeniert in Gegenbewegung  lassen sie uns eben das wahr nehmen, nämlich Bewegung und wieder meinen wir den Klang der Gräser zu hören, angeregt von einem leicht bewegenden Wind, den wir im Bild spüren können.

In anderen Arbeiten sind Brauntöne dominant und so entsteht eine Vielheit im Gleichen die beweist, wie unerschöpflich ein solcher Ausschnitt aus der Natur sein kann.

Überhaupt Natur. Sie muss nicht eine Urkraft ausdrücken wie bei Hackert, der Goethes Zeichenlehrer war. Sie muss auch nicht einem Romantischen huldigen wie beim großartigen Caspar David Friedrich. Sie muss auch nicht im Stofflichen triumphieren wie bei der Impressionisten. Auch als Folie für Gefühle wie bei den jungen Vertretern der „Brücke“ an den Moritzburger Seen muss sie nicht dienen und ihre Reduktion auf ein bloßes Additiv wie bei David Hockneys „Hollywood Garden“ ist nur eine Beschäftigung unter vielen.

Ein Desiderat unserer Zeit ist fraglos ein neues „Zurück zur Natur“ und dieses Desiderat wird bedient durch Arbeiten, wie sie Heike Renz uns hierher mitgebracht hat. Ihre Naturbilder begnügen sind damit, den Klang der Gräser zu transportieren und wer wollte es denn, dass uns dieser Klang verloren ginge?

 

Übrigens. Auf dem Cover des Magazins für Politik und Kultur „Cicero“, Ausgabe Mai 2023 ist Vizekanzler Habeck als Hulk zu sehen. Das Grün passt ja, aber es mit Gewalt in Eines zu setzen liegt nicht wirklich nahe: außer eben bei einem Monstrum. Wie wäre es nun, wenn Heike Renz unserer Außenministerin Baerbock für ihren Amtssitz ein Bild schenkte, das ihr den Klang der Gräser alltäglich vermittelte. So etwas schärft das Gehör, denn diesen Klang gibt es schon lange und er ist elementar und und vorbildhaft wunderschön leise.